Nach drei Monaten breiter Proteste gegen die AfD und Rechtsruck ist es notwendig die Entwicklungen zu betrachten und sich zu fragen: Was ist passiert? Was haben wir erreicht? Wo kann es jetzt hingehen? Dafür werden wir in diesem Text zuerst eine kleine Chronik der lokalen Proteste dokumentieren, die Entwicklung beschreiben und analysieren, unsere Beteiligung reflektieren und Perspektiven für die Weiterentwicklung der lokalen antifaschistischen Bewegung formulieren.
Überblick
Am 10. Januar veröffentlichte correctiv ihre Recherche Geheimplan Deutschland (1).
Am 15. Januar beteiligten sich bereits etwa 400 Menschen an einer Kundgebung organisiert von den Parteien und links-liberalen Organisationen vor der Porta Nigra.
Am 21. Januar nahmen spontan über 1000 Menschen an einer Kundgebung gegen einen AfD-Bürgerdialog in Kasel teil.
Am 27. Januar fand eine von den Parteien organisierte Kundgebung mit guter Beteiligung statt.
Am 28. Januar fand Triers bisher größte Kundgebung gegen rechte Politik statt mit über 10 000 Menschen, diesmal unter dem Motto “Nie wieder ist jetzt”. Im Anschluss daran machte sich ein kleinerer Teil mit 300-400 Personen mit einer spontan Demonstration auf den Weg durch die Innenstadt.
Am 2. Februar beteiligten sich wieder über 1000 Menschen an einer Kundgebung gegen die Aufstellung der Kandidatenliste der AfD am Domfreihof.
Am 25. Februar beteiligten sich etwa 4500 Personen an einer Demonstration des Bündnisses “Nie wieder ist Jetzt!”.
Am 8. März demonstrierten etwa 400 Menschen unter dem Motto Fantifa* gegen Rechtsruck und für Feminismus.
Am 7. April nahmen nun um die 2 000 Personen an der Großdemonstration teil.
Die Entwicklung
Als die plattform Trier waren wir wie viele andere auch überrascht über die große Beteiligung an den Protesten. Natürlich haben alle bürgerlichen Parteien versucht diese für sich zu nutzen um sich selber in einem antifaschistischen Licht zu positionieren, während sie selber rechte Politik fortführen und durchsetzen. Davon haben wir uns aber nicht aufhalten lassen und versucht von Anfang an kämpferische Analysen und Positionen in die lokalen Proteste zu bringen und uns beteiligt wo wir konnten.
Ähnlich wie die Antifaschistische Aktion Süd verstehen auch wir die Proteste als Krisenproteste (2), unter liberalen Vorzeichen und ohne klare soziale Stoßrichtung. In dem Kontext müssen wir die Proteste auch als Ausdruck der Unzufriedenheit mit den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen von Verarmung, Krieg und Abbau von sozialen Sicherungssystemen verstehen. Dabei entspricht das Milieu das auf die Straße gegangen ist vor allem Menschen die u.a. ökonomisch negativ von einer Politik der AfD betroffen wären, die Angst vor einem weiteren Abstieg haben.
Wir müssen dahin feststellen, dass es eine Ambivalenz gibt. Denn einerseits entspringen die Proteste einem vorhandenem Bewusstsein über die Zustände und Faschisierung der Gesellschaft und des Staates, gleichzeitig entspringen sie im Moment eher einem Reaktionären “Alles soll bleiben wie es ist”. Dies sehen wir unter anderem daran, dass die Beteiligung unglaublich schnell zurückgegangen ist, auch wenn wir an vergleichbare Protestbewegungen der letzten Jahre denken wie die eher reaktionäre Querdenker-Bewegung oder FridaysForFuture.
Das Beharren auf einer Erhaltung des Ist-Zustandes, die Führung der Proteste durch etablierte Kräfte und ihre Arbeitsmechanismen, in Trier nach Außen maßgeblich durch das Bunte Trier, haben verhindert, dass sich eine eigenständige Bewegung gegen den rechten Normalzustand herausbilden konnte, die bei den Menschen im Alltag beginnt anzusetzen und Kampfformen jenseits der Fokussierung auf Wahlen zu entwickeln. Dabei müssen wir anerkennen, dass verschiedene Genoss*innen in der Bündnis-Arbeit schlimmeres verhindert haben. Das in Trier keine Parteien öffentlich auftreten konnten bei den großen Protesten, ja nicht einmal sichtbar waren, und keine Nationalfahnen gewedelt werden durften, ist positiv und zeigt den Rückhalt den antiautoritäre Positionen in der linkspolitischen Szene in Trier im Moment haben. Auch die Kritik der aktuellen Asylpolitik durch die Ampel-Regierung hatte breiten Raum bekommen, wurde aber unserer Wahrnehmung nach von breiten Teilen der Anwesenden kaum aufgenommen.
Die Problematik des Beharrens auf eine reine Ablehnung der AfD in der Außenwirkung hat sich auch an verschiedenen anderen Aktivitäten in den letzten Monaten gezeigt. So fiel die Gedenkkundgebung für die Opfer des Anschlags in Hanau nicht merklich größer als die letzten Jahre aus, es wurde nur spontan dafür mobilisiert und vielen der sonstigen Beteiligten scheint das ignorieren rassistischer Politik durch die herrschenden Parteien größtenteils egal zu sein. Das zeigt sich stark an dem viel selbstständigeren Protest am 21. Januar in Kasel. Dieser war viel selbstorganisierter aus alten Netzwerken hervorgegangen, was zu einer weitaus spannenderen Mischung führte in welcher Deutschlandfahnen wehten und vor allem der ökonomische und soziale Mehrwert von Geflüchteten und ihrer Arbeitskraft als Legitimation gegen die rassistische Ideologie der extremen Rechten genutzt wurde.
Auch wurde eine klassenkämpferische und soziale Perspektive kaum aufgezeigt. Die schwache Präsenz und Sichtbarkeit von Gewerkschafter*innen in Trier zeigt sowohl wie wenig Antifaschismus im DGB verankert ist, als auch die relativ schwache Verankerung der Gewerkschaften in Trier. Nur vereinzelt waren sie sichtbar und nicht dazu in der Lage eine eigenständige Kraft zu werden die eine führende Rolle einnimmt. Dahingehend müssen wir uns kritisch fragen, wie wir an einen ähnlichen Punkt kommen können wie in Baden-Würtemberg, wo antifaschistische Aktivist*innen gemeinsam mit den Gewerkschaften unter dem Motto “Die rechte Welle brechen” Tausende mobilisieren konnten.
Unsere Aktivitäten
Obwohl Antifaschismus keines unser Kernarbeitsfelder darstellt sind wir sowohl als Lokalgruppe der anarchakommunistischen Föderation die Plattform, als auch als Einzelpersonen und Föderation seit Jahren an dieser Front aktiv und haben versucht spontan zu tun was wir können um unsere aktuelle Perspektive soweit wie möglich zu verbreiten. Wir glauben, dass wir insgesamt gut sichtbar waren auf den Protesten.
Mit einem Hochtransparent, Fahnen, Flyern, einer Trommel, einem Kaffee und Kuchen-Stand sowie einem Mitorganisiertem Block auf der letzten Demonstration waren wir weithin gut sichtbar. Durch die langjährige Arbeit und den Aufbau der Lokalgruppe sowie einigen sehr aktiven Menschen war es möglich eine starke Präsenz nach außen zu haben. Insbesondere der Kaffee und Kuchen Stand hat uns dabei positive Erfahrungen sammeln lassen, im speziellen zu den kälteren Demonstrationen. Die Überraschung der großen Teilnehmendenzahl Ende Januar mit einer Überlastung der Technik führte zwischenzeitlich dazu, dass der Stand als Anlaufpunkt für Fragen diente. Wir haben dabei eindeutig unterschätzt wie wissbegierig viele Menschen waren und uns wurden die wenigen Flyer innerhalb kürzester Zeit aus den Händen gerissen. Sowohl die Flyer, welche eine gekürzte und angepasste Version unserer Erklärung darstellte (4) als auch in unseren Reden versuchten wir die Notwendigkeit einer langfristigen Organisierung im Alltag, als auch als Antifaschist*innen zu betonen und auf die Erfahrung früherer antifaschistischer Proteste aufzubauen. In der Praxis bedeutet dies seit der zweiten Großdemonstration vom “Nie wieder ist Jetzt!” Bündnis, unseren Fokus auf den Aufbau und die Unterstützung des OATs. Durch das OAT konnte bei der letzten Demonstration eine kämpferische Position nach außen vertreten werden mit Fokus auf der Schaffung von Strukturen für langfristige antifaschistische Arbeit. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden wir hoffentlich in den kommenden Wochen und Monaten sehen. Das bisherige Fehlen einer eigenständigen, offenen und kontinuierlichen Antifaschistischen Organisierung in Trier hat sich dabei schmerzlich gezeigt.
Während wir mit Repression durch staatliche Institutionen bisher nicht weiter konfrontiert sind, hat die erhöhte Sichtbarkeit zu repressiven Verhalten durch bürgerliche Akteure als auch der Presse geführt, welche versucht haben uns und unsere Arbeit zu diskreditieren. Zum aktuellen Zeitpunkt können wir feststellen, dass dies nicht funktioniert hat.
Perspektive
Die wachsende Resignation und abnehmende Teilnahme-Zahlen sind eine unüberraschende Folge von Bewegungsdynamiken und der Übernahme durch etablierte Kräfte. Jetzt nicht selber zu resignieren ist aber wichtig. Weiterhin gilt unsere Unterstützung dem OAT, aber auch in anderen Themenfeldern werden wir uns weiterhin dafür engagieren eine antifaschistische Perspektive zu verbreitern. So fand der diesjährige Feministische Kampftag in Trier unter dem Motto Fantifa* statt, um auf die wachsende rechte Gefahr aufmerksam zu machen. Anstatt also nun im Rahmen der aktuellen Proteste unsere ganze Energie auf den antifaschistischen Kampf zu fokussieren, führen wir unsere sonstigen Arbeiten fort und versuchen die aktuellen Ereignisse sinnvoll damit zu verbinden (3). So bleibt Antifaschismus als Bewegung für die Selbstverteidigung sozialer Bewegungen und der erkämpften Rechte notwendig, nimmt uns aber auch nicht komplett ein.
Es gilt weiterhin an dem Aufruf aus der Erklärung “Ob AfD oder Ampel-Regierung: Nur von unten können wir den Rechtsruck stoppen!”:
“Die antifaschistische Massenbewegung bleibt das wirksamste Mittel im Kampf gegen die Faschist:innen. Lasst uns also heute damit anfangen, sie aufzubauen. Schulter an Schulter auf den Straßen unserer Städte und Plätzen unserer Dörfer.” (4)
Um weiter über den Zustand der antifaschistischen Bewegung mit uns zu diskutieren laden wir euch herzlich ein am 29. April in die KSJ zu kommen. Im Rahmen des Kritischen Semesterstarts in Trier (Kri.Se) halten wir einen Vortrag über Perspektiven auf Antifaschismus und wollen gemeinsam darüber ins Gespräch kommen.
Fußnoten
(1) correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen
(2) antifa-sued.org/analyse-die-eine-welle-mitnehmen-die-andere-brechen
(3) trier.dieplattform.org/2024/03/13/antipatriarchaler-kampftag-in-trier-ein-bericht
(4) www.dieplattform.org/2024/01/26/ob-afd-oder-ampel-regierung-nur-von-unten-koennen-wir-den-rechtsruck-stoppen/#more-2859