Redebeitrag zum Feministischen Kampftag in Trier

Inhaltswarnung: Krieg, Verfolgung, faschistische Gewalt

Es ist Februar 1942. In Bernburg an der Saale, im heutigen Sachsen-Anhalt, betreibt Nazi-Deutschland seit zwei Jahren eine von vielen Tötungsanstalten. Zwischen 1940 und 1943 werden hier fast 15.000 Menschen mit Giftgas ermordet. Eine von ihnen ist Helga Beyer. Sie wird 21 Jahre alt, ihr genaues Todesdatum ist unbekannt. Als Kind tritt sie der deutsch-jüdischen Jugendbewegung bei, bei der Machtübergabe an die NSDAP ist sie gerade einmal 13 Jahre alt. Sie steht der kommunistischen Opposition nahe, deren Mitglieder nach 1933 fast geschlossen in den illegalen antifaschistischen Widerstand gehen. Helga sammelt Geld für Familien verhafteter und ermordeter Genoss*innen und bewegt sich als Kurierin und Schmugglerin im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Sie verhilft Genoss*innen zu Kontakten im Ausland und zur Flucht. Im Sommer versteckt sie Flugblätter und illegale Zeitschriften in den Hohlräumen ihres Fahrrads, im Winter nutzt sie eigens dafür präparierte Skistöcke. Anfang 1938 werden Helga und ihre Schwester Ursel bei einer Verhaftungswelle festgenommen. Vor Gericht kommt nur ein Jahr ihrer Widerstandstätigkeit zur Sprache; ihre restliche antifaschistische Arbeit bleibt dem Staat verborgen. Dennoch wird sie am Ende ihrer Haft nach dreieinhalb Jahren nicht entlassen, sondern ins Frauen-KZ Ravensbrück überstellt und schließlich irgendwann im Februar 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg mit Kohlenstoffmonoxid hingerichtet.

Im Frauen-KZ Ravensbrück waren insgesamt über 120.000 Frauen inhaftiert, darunter neben Jüdinnen, Zeuginnen Jehovas, Sintizze und Romnja, Lesben und queeren Menschen auch viele politische Gefangene wie Helga Beyer. Ihre Geschichten werden bis heute zu selten erzählt. Dabei haben sie uns vorgelebt, was es bedeutet, auch in harten Zeiten solidarisch und widerständig zu bleiben. In der Haft im KZ Ravensbrück organisierten sich die politischen Frauen. Sie unterstützten sich und andere Gefangene gegenseitig, organisierten Lebensmittel und Kleidung füreinander und schufen sich im brutalen Lageralltag Momente der Fürsorglichkeit und Solidarität untereinander. Damit konnten sie einigen von ihnen das Leben retten. Sie setzten sogar ihre politische Arbeit fort, soweit es ihnen möglich war. Mit den begrenzten Mitteln versuchten sie, sich zu bilden und sie organisierten heimlich Gedenkaktionen zum Frauenkampftag.

Die Frauen, die dem Faschismus Gegenwehr geleistet haben, waren keine Heldinnen, sie hatten keine Superkräfte und wurden von keinem Gott gesandt. Sie waren Schülerinnen wie Helga Beyer, alleinerziehende Mütter wie Lilo Herrmann, Arbeiterinnen wie Johanna Kirchner. Sie waren wie wir. Und sie haben gekämpft, mutig und unbeugsam. 85 Jahre ist es her, dass Frauen im Konzentrationslager den 8. März als Kampftag begangen haben. Heute ist es an uns, ihrem Mut gerecht zu werden und ihre Kämpfe fortzuführen.

Alerta, Alerta, Antifascista!

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