Liebe Freund*innen und Genoss*innen,
am vergangenen Donnerstag, dem 11.12.2025, haben wir gemeinsam an ein Format von vor einigen Jahren angeknüpft und uns im Rahmen eines Vortrages mit verschiedenen Ideen und Konzepten postkapitalistischer Wirtschaft auseinandergesetzt.
Natürlich ist uns bewusst, dass ein Wirtschaftssystem einer kommenden Welt nichts ist, das wir auf dem Reißbrett planen und dann einfach umsetzen können. Doch ebenso glauben wir, dass wir als gesellschaftliche Linke seit vielen Jahren keine greifbaren Alternativen mehr zu bieten haben, die sich die Menschen vorstellen können. Auch deshalb schaffen wir es oft nicht, Menschen davon zu überzeugen, dass der Kapitalismus und seine Verwerfungen kein Naturgesetz sind und überwunden werden können. Wir brauchen konkretere Ideen und Angebote, mit denen wir in den Austausch gehen können.
Und es gibt diese konkreten Ideen. Auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten machen sich kluge Menschen kluge Gedanken zur großen Frage, wie wir anders, wie wir besser wirtschaften können. Doch diese Vorschläge schaffen es selten aus einem akademischen Diskurs heraus. Unsere Veranstaltung vom Donnerstag war ein vorsichtiger Schritt, lokal mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die die Verhältnisse aus einer ähnlichen Perspektive betrachten wie wir. Gemeinsam wollen daran arbeiten, diesen Austausch auszuweiten und unseren Beitrag dafür leisten, als Gesellschaft endlich wieder über Wege aus Krise und Ausbeutung heraus zu sprechen.
Weiter unten findet ihr ganz kurze, abrissartige Vorstellungen der Ideen (die natürlich der Komplexität nicht ansatzweise gerecht werden können), über die wir gesprochen haben. Wenn ihr Lust habt, darüber in den Austausch zu kommen, meldet euch, am besten über Instagram.
Wir bedanken und bei allen Menschen, die da waren für einen gelungenen Abend und einen tollen Austausch, auch wenn nach Ende des Vortrages, die Luft ein wenig raus war. Für künftige Formate werden wir wohl versuchen, die Themen in mehreren Veranstaltungen vorzustellen.
In diesem Sinne gehen wir fragend voran.
die plattform Trier

Arbeitszeitsozialismus
Dieses Konzept ist eine Weiterentwicklung der klassischen staatssozialistischen Ansätze des 20. Jahrhunderts und entspricht damit von vorne herein nicht wirklich unserer Vorstellung einer befreiten Gesellschaft. Doch darum ging es uns nicht und auch dieser Vorschlag bietet interessante Ideen, aus der Misere der kapitalistischen Moderne. Auch wenn sie vielleicht nicht weit genug gehen.
Ausgehend von der Marxschen Arbeitswerttheorie schlägt dieser Ansatz vor, arbeitende Menschen mit irgendeiner Form von „Arbeitszeitanleihen“ zu bezahlen. Diese dürfen wir uns nicht als Geld vorstellen, denn sie wären nur einmalig verwendbar, nicht übertragbar und würden nach einer gewissen Zeit verfallen. Der Wert aller Güter wird in der für ihre Produktion notwendigen Arbeitszeit bemessen und so kann ich mir, wenn ich zehn Stunde arbeite, Güter kaufen, deren Produktion zehn Stunden Arbeitszeit enthält. Das klingt einfach, wird aber in komplexen Produktionsketten unfassbar unübersichtlich. Denn es geht nicht nur um die Arbeitszeit der konkreten Ware, sondern auch um die, die in den Maschinen zu ihrer Produktion steckt, in den Rohstoffen und Vorprodukten, im Wissen, das nötig ist usw. Früher war so ein Konzept undenkbar, doch gehen wir davon aus, dass es uns als (Welt-)Gesellschaft mittlerweile möglich ist, mit Informationstechnologie, diese unglaublich komplexen Berechnungen anzustellen, wird es auf einmal greifbar.
Es gäbe immer noch einen Staat, über den sich die Gesellschaft organisiert, doch durch die Diversifizierung von Tätigkeitsbereichen soll die Herausbildung eine Klasse von Bürokrat*innen, wie in allen realsozialistischen Staaten, verhindert werden. Dieser Staat müsste über eine allgemeine Steuer eine soziale Absicherung, eine Infrastruktur, die Produktionsmittel u.Ä. bezahlen, doch darüber hinaus gäbe es keinen Mehrwert, der abgeschöpft würde. Die Verteilung der produzierten Güter wäre über einen sozialistischen Konsumgütermarkt denkbar. Außerdem müssten Anreizsysteme geschaffen werden, denn auch, wenn diese Ideen besser klingen, als unsere heutigen Verhältnisse, gäbe es immer noch Lohnarbeit. Und wenn es Lohnarbeit gibt, gibt es auch einen Klassengegensatz, selbst, wenn dieser in den Menschen selber besteht.
Parecon
Der Name Parecon steht für Participatory Economics und benennt ein Konzept, dass seit einigen Jahren in der radikalen Linken durchaus diskutiert wird. Parecon möchte Gesellschaft und Wirtschaft anhand der vier Grundwerte Selbstverwaltung, Solidarität, Vielfalt und Fairness aufbauen und schlägt dafür fünf Institutionen vor, die sie entsprechend organisieren würden. Wirtschaft und Gesellschaft wären grundsätzlich selbstverwaltet und jede Person soll in gleichem Maße an einer Entscheidung beteiligt werden, in dem sie davon betroffen ist. Das funktioniert über Arbeiter*innen- und Konsument*innenräte, in denen jegliche Produktion und Verteilung geplant und ausgeführt wird. Auch Parecon hält die Abschaffung der Lohnarbeit nicht für möglich und möchte dafür eine Gerechte Entlohnung nach Mühe und Verzicht einführen. Wer einen unbeliebten Job macht, würde mehr bekommen. Auch hier gibt es „Geld“ nicht als universelles Tauschmittel, das unbegrenzt konzentrierbar ist, sondern wäre nicht übertragbar und nur durch Arbeit zu bekommen. Alles andere, die Produktionsmittel, die Infrastruktur usw. usf. würde allen als Gemeinschaft produktiver Ressourcen gehören. Dass sich eine Klasse von Koordinator*innen bildet, die sich letztlich zu einer neuen Elite entwickelt, soll über Ausgewogene Tätigkeitbündel verhindert werden. Das heißt, dass möglichst viele Menschen befähigt sind, möglichst diverse Aufgaben zu übernehmen. Sowohl Fließband als auch Planung etwa. Die fünfte Institution ist die Partizipatorische Wirtschaftsplanung, was bedeutet, dass alle Räte im Austauschüber ihre Kapazitäten und Bedarfe stehen und diese anhand des möglichen aushandeln. Ausgleichsausschüsse würden zwischen den Räten vermitteln, Vorschläge machen und bei der Koordination helfen, besonders dann wenn es widersprüchliche Vorstellungen gibt. So würden z.B. jährliche Pläne erstellt, was produziert, investiert und konsumiert werden soll. Es gäbe somit auch keine Verteilung der Güter über einen Markt mehr, der immer
auch das Streben nach dem eigenen Vorteil mit sich bringt.
Commonismus
Zuletzt haben wir über den Ansatz des Commonismus gesprochen. Das Kofferwort setzt sich erkennbarer weise aus Kommunismus und Commons zusammen, was in englischsprachigen Ländern ein recht weitgefasster Begriff für irgendeine Art von traditionellem Gemeinbesitz ist. Im Denken des Commonismus wird der Begriff aber enger gefasst. Er beschreibt irgendeine Form von Ressource, sei es Wissen, Technologie, Rohstoffe, Land, Maschinen uvm., die durch den Prozess des Commoning zu einem Gemeingut wird und von einer Gruppe Menschen in Stellvertretung aller genutzt wird. Sie gehört ihnen aber nicht. Niemandem gehört irgendetwas und so werden Güter auch nicht getauscht, sondern abgegeben. Die nutzenden Zusammenhänge heißen wiederum Commons. Das radikale an dieser Vorstellung ist, die Abschaffung nicht nur von Privatbesitz an Produktionsmitteln und des Marktes als Verteilungsinstrument, sondern auch die Abschaffung der Lohnarbeit. Jede Beteiligung ist freiwillig. Dass Menschen dennoch notwendige Tätigkeiten auf sich nehmen soll über das grundlegende, menschliche Bedürfnis, der produktiven Vorsorge des eigenen Daseinserhalt organisiert werden. Dadurch entfällt die Entfremdung von der Arbeit. Da Güter so keinen Preis mehr in irgendeiner „Rechnungseinheit“ (etwa Geld) haben, entfällt auch der Tauschwert und dadurch der Doppelcharakter der Warenform. Sie werden ausschließlich für ihren Gebrauchswert produziert und verteilt. Auch die Vision einer solchen Gesellschaft wäre zwangsläufig auf ein hohes Maß an Informationstechnisierung angewiesen. Als Anschauungsbeispiel könne wir uns das Fediverse vorstellen. Jegliche transpersonelle Kommunikation (über die persönlichen Bekanntschaften einer Person) , sei es zwischen Haushalten, Produktionsstätten oder funktionalen Räten läuft über „Protokolle“, in dem die gemeinsamen Vereinbarungen (etwa Konsense über den gemeinsamen Umgang, Lieferfristen uvm.) festgeschrieben sind und über die sich zu beliebig komplexen Zusammenhängen föderiert werden kann.
Diese Protokolle setzen radikale Informationstransparenz voraus und können jederzeit gelöst werden. So entsteht das unumgängliche Interesse der Kooperation, durch Übervorteilung gelange ich nicht mehr zu meinen eigenen Zielen. Mein Vorteil, mein Vorankommen wird unlösbarer Teil des Vorankommens aller.
