Hallo zusammen,
wir sprechen für Stella Nigra, das anarchistische Kollektiv Trier.
Es wird gerne gesagt, wir lebten in einem neuen Erdzeitalter, in dem die Menschheit die wichtigste Kraft geworden ist, die die Erde formt. Neben dem derzeitigen Massenaussterben sei vor allem der Klimawandel der massivste Ausdruck der ungezügelten, zerstörerischen Kraft, die die Menschheit dabei entfaltet. Das ist aber so nicht ganz richtig. Das Ausmaß der Veränderungen und Beschädigungen werden so gut ausgedrückt. Aber eine andere Tatsache wird verschleiert:
Wer die Schuld an der Klimakatastrophe etwas so was abstraktem wie „der Menschheit“ oder „uns allen“ zuweist, macht es sich viel, viel zu einfach.
Darauf weist schon der Umstand hin, dass Bürger*innen der arabischen Emirate 2016 im Durchschnitt pro Kopf 30 Tonnen Co2 emittierten, die der USA oder Luxemburgs über 14 Tonnen, Deutschlands knapp 9, Brasiliens 2 oder Honduras eine Tonne. Einwohner*innen des Kongo dagegen emittierten gerade mal 0,03 Tonnen Co2. Einen so niedrigen ökologischen Fußabdruck können wir hierzulande mit keiner noch so enthaltsamen Lebensumstellung erreichen. Egal ob du nur noch vegan isst, Müll vermeidest, Ökostrom beziehst, kein Auto fährst oder einfach beim Co2-Rechner schummelst – alleine deine Lebensumstände in einem Industrieland wie Deutschland werden das verhindern. Individuelle Konsumumstellungen sind vielleicht löblich, sie lösen aber ganz sicher kein einziges gesellschaftliches Problem.
Sind also wir alle hier, die in den Industriestaaten des globalen Nordens leben, die wahren Schuldigen am Klimawandel? Immer noch nicht so einfach. Co2 Emissionen unterscheiden sich auch hier nach Klassenzugehörigkeit. Der Beitrag der Reichsten zur Produktion von Treibhausgasen ist ein Vielfaches von dem der armen Bevölkerungsmehrheit. Weltweit sind allein 100 multinationale Firmen verantwortlich für 71% der Emissionen. Emissionen die jährlich weiter steigen. Während diese Konzerne unsere Atmosphäre in eine Abgasdeponie verwandeln, schaut die Politik aber scheinbar nur zu. Sei 1995 verballern Abgeordnete heiße Luft und Flugzeugkerosin für jährliche Weltklimakonferenzen. In der Bilanz völlig ergebnislos. Wir bewegen uns weiter rapide auf einen Zustand zu, in dem weite Teile unserer Welt in einem Jahrhundert nicht mehr für Menschen bewohnbar sind. Das es so kommt ist keine Zwangsläufigkeit. Aber das wird gerade in Kauf genommen. Ob wir es verhindern können, hängt davon ab, was wir hier und heute tun!
Wir sagen deshalb: Es reicht jetzt! Es wird endlich Zeit für wirksame Klimapolitik!
Das die Emissionen dauerhaft steigen ist nämlich kein Naturgesetz. Sie sind schon einige Male zurückgegangen, teilweise ganz massiv. Die Gründe dafür waren aber eben nicht die vergeblichen Anstrengungen der internationalen Politik. Das waren globale Wirtschaftskrisen, dass letzte mal der Crash 2007. Co2-Emissionen und globales Wirtschaftswachstum sind eng miteinander verbunden. Sie steigen und fallen nahezu in derselben Geschwindigkeit.
Wer oder besser WAS ist für die Klimakatastrophe verantwortlich? Es ist eben nicht die Menschheit als Ganzes, es sind letztlich auch nicht „wir“ als Gesamtbevölkerung der Industrieländer. Verantwortlich ist unser weltweites Wirtschaftssystem, das nur mit ständig steigendem Wachstum funktioniert: Der Kapitalismus.
Der Kapitalismus ist nicht nur der Hauptgrund für den Klimawandel, sondern auch der dafür, dass keine noch so gute Idee um ihn aufzuhalten in den letzten Jahrzehnten ihr Potential entfalten konnte. Um in dieser Gesellschaft umgesetzt zu werden soll Klimaschutz widersprüchlicherweise wirtschaftlich sein. Aber Klimaschutz und Dauerwachstum sind auf einem begrenzten Planeten unvereinbar. Ein sofortiger Kohleausstieg und schnellstmöglich komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, die Waldfläche der Erde massiv zu erhöhen, fossile Energiekonzerne zu enteignen, klimaschädliche Produktionsmethoden massiv zurückzufahren oder einen guten, für alle frei zugänglichen Nahverkehr an die Stelle des Individualverkehrs zu setzen … all das ist keine Zauberei. All das ist im Rahmen des Möglichen.
Wir müssen es nur endlich hinbekommen der unsichtbaren Hand des Marktes unsere Zukunft zu entreißen.
Die Emissionen innerhalb eines Jahrzehnts auf Null zu kriegen und das 1,5 Grad Ziel sowie das Klima noch zu retten ist absolut machbar und dringend notwendig.
Nur: Im Kapitalismus, in dem Wachstum und internationale Konkurrenzfähigkeit immer zwangsläufig vor dem Vernünftigen kommen werden, geht das nicht.
Die fortschreitende Klimakatastrophe stellt sicher, dass diese Wirtschaftsweise noch in diesem Jahrhundert verschwinden wird. So oder so. Wir haben aber in der Hand wie das geschehen wird. Wenn wir nichts tun, fährt sie sich selbst mit Höchstgeschwindigkeit an die Wand – und uns alle und diese Welt gleich mit.
Weil das für uns keine Alternative ist, sagen wir: Die Freund*innen von Extinction Rebellion haben in diesem Punkt recht. Wenn wir unseren Kindern kein totes, überhitztes und staubiges Treibhaus hinterlassen wollen, wenn wir kein fortgesetztes Massensterben mehr hinnehmen wollen – von Pflanzen, Tieren und Menschen – müssen wir auf die Barrikaden gehen. Wir müssen rebellieren.
Was aber noch fehlt: Diese Rebellion muss unbedingt mehr sein als nur noch vehementer an die Mächtigen zu appellieren doch endlich mal den Arsch hochzubekommen und das mit zivilem Ungehorsam nur zu unterstreichen. Das passiert seit Jahrzehnten vergeblich. Wir können viel mehr als das!
Denn Politiker*innen, und zwar die aller Parteien, werden weiter nicht handeln, wie sie die letzten Jahrzehnte schon nicht gehandelt haben. Sie sind weiter bereit, nach Spielregeln zu spielen, die uns alle ans Messer liefern. Egal ob sie das jetzt persönlich gut finden oder nicht – das ist quasi ihre Berufsbezeichnung.
Klar gibt es gerade allen Grund dafür, sauer zu werden, wenn die Grünen, die durch den politischen Druck der Klimabewegung ihre Stadtratsmehrheit bekommen haben, gemeinsam mit der CDU im Hinterzimmer den Klimanotstandsbeschluss entschärfen. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen und soviel an Verbesserungen rauszuschlagen wie nur möglich ist, auf allen Wegen auf denen das geht.
Aber als Anarchist*innen wissen wir: alle die heute Macht haben, haben sie aber nur durch das stille Einverständnis einer Bevölkerung die lieber ihre Stimme abgibt, anstatt für sich selbst zu sprechen und sich unvernünftigerweise an Eigentumsverhältnisse hält, die für die absolute Mehrheit von uns von Nachteil sind – und für das Klima sowieso. Rebellion muss also heißen, dass wir dieses stille Einverständnis aufkündigen. Das wir Politik und Wirtschaft die Macht die wir ihnen überlassen haben wieder wegnehmen und anfangen unsere gesellschaftlichen Angelegenheiten selbst zu klären. System change – not climate change!
Die wahre Macht liegt nicht bei ihnen – sondern bei uns. Sie liegt darin sich von unten gleichberechtigt mit vielen zusammenzutun und zu organisieren. Eins hat der Erfolg bon Fridays for future, Hambacher Forst-Besetzung und Ende Gelände in den letzten Jahren gezeigt: Klimaschutz ist und bleibt Handarbeit. Und stellt euch nur mal ganz kurz sowas wie Ende Gelände in einem größeren Maßstab vor: Wenn hunderttausende Menschen ein paar Wochen die Tagebaue im Rheinland blockieren würden, dann wäre die Kohle sehr, sehr schnell Geschichte.
Eine große Chance für massenhaften Widerstand wird die europaweite Initiative „by 2020 we rise up“ bieten. Sie hat das Zeug, das nächste Jahr zum bisherigen Höhepunkt der Klimagerechtigkeitsbewegung zu machen. Lasst uns dazu beitragen. Und weil es auch und gerade um eure Zukunft geht – nehmt die politische Teilnahmslosigkeit in dieser Angelegenheit verdammt noch mal persönlich. Eure Wut ist nicht nur legitim – eure Wut wird dringend gebraucht.
Für eine Zukunft grenzenloser Klimagerechtigkeit!
Für eine Zukunft ohne Kapitalismus!
what do we want?
CLIMATE JUSTICE!
when do we want it?
NOW!