Redebeitrag zum internationalen Tag gegen patriarchale Gewalt in Trier

Wem würdet ihr lieber alleine im Wald begegnen? Einem Mann oder einem Bär?

Wenn ihr instinktiv Bär geantwortet habt, seid ihr damit nicht allein. Aufgeworfen durch einen
Tiktok, der diese Frage stellte, ging die Diskussion über Männer und Bären einmal quer
durch die sozialen Medien. Die Antworten fielen häufig genug schlecht für den Mann aus.
Dafür gibt es einen Grund. Männer sind gefährlich, Männer sind unberechenbar, Männer
sind direkt verbunden mit Gewalt. Zu viele Statistiken über Übergriffe, sexuelle Gewalt bis
hin zu täglichen Femiziden zeigen und diese Tatsachen. Warum also nicht den Bär wählen.
Da weiß man wenigstens was man vor sich hat.

Natürlich muss das nicht so sein. Natürlich sollte es eigentlich keinen Grund geben, warum
wir Angst vor Männern haben sollten. Zu glauben, Männer seien durch biologische Gründe
zu Gewalt gezwungen, macht aus den Geschlechtern verschiedene Spezies. Es ist die
Erziehung, die Gesellschaft, das System, das es Männern ermöglicht, zu Tätern zu werden,
dass es Männern leichter macht Täter zu sein. Indem es ihnen suggeriert, sie hätten ein
Anrecht auf alles, was sie wollen. Indem es ihnen beibringt, dieses illusorische Anrecht mit
Gewalt durchzusetzen. Indem es diese männlichen Täter vor Konsequenzen ihres Handelns
schützt. Dieses System ist das Patriarchat.

Das Patriarchat ist eine Ideologie, die uns alle in zwei Klassen teilt. Die Männer, die alles
sind und die Nicht-Männer, die nichts sind. Diese Ideologie macht Männer nicht bloß zum
Zentrum der Welt, sie erkennt allen anderen die Möglichkeit ab überhaupt in derselben
Weise menschlich zu sein. Diese Entmenschlichung macht die Gewalt des Patriarchats
möglich. Sie ist seine Legitimation. Diese Illusion von Überlegenheit, von Andersartigkeit,
gibt Männern die Möglichkeit, ihre Gewalt zu rationalisieren, sich von ihr zu distanzieren.
Viele Männer flüchten sich in diese Ideologie des Patriarchats, weil sie mit ihrem Leben nicht
zufrieden sind, weil der Kapitalismus und die hierarchischen Strukturen unserer Gesellschaft
ihre unmöglichen Versprechen einfach nicht halten können. Diese Männer fliehen in die
hypermasculine Gewalt der Manosphere oder in die traurige verachtende Gewalt der Incels.
Sie geben Flinta-Personen die Schuld an den Problemen, die aus ihrer Ideologie kommen.
Am Ende zerstören sie alles um sich herum, ihr Leben und das Leben der Menschen in
ihrem Umfeld, nur um sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen. Das ist die
Macht des Patriarchats, die Macht der arroganten Ignoranz.

Das Patriarchat durchsetzt unsere ganze Gesellschaft. Die Institutionen des Deutschen
Staates und aller Staaten sind auf dem Patriarchat aufgebaut wie eine Stadt auf sumpfigem
Land. Das Patriarchat kann nur durch Gewalt seine Herrschaft aufrechterhalten. Durch
männliche Gewalt. Weil es ein System der Kontrolle ist, das auf Konkurrenz basiert und
keinen Konsens kennt. Das in der Welt und allen Menschen darin nur seinen Besitz sehen
kann. Solange das Patriarchat unsere Gesellschaft durchzieht, solange wir in einer
Gesellschaft leben, die auf dem Patriarchat aufgebaut ist, werden wir niemals frei von
Gewalt sein.

Wir müssen gemeinsam gegen diese Gewalt kämpfen, diese Gewalt nicht akzeptieren,
diese Gewalt nicht zulassen. Indem wir Tätern keinen Platz in unserer Gemeinschaft geben.
Indem wir alle, auch die Männer, für die subtilere Gewalt des Patriarchats sensibilisieren.
Indem wir Strukturen aufbauen, die das Patriarchat auflösen. Dafür muss uns klar sein, wie
unsere jetzige Gesellschaft, Gemeinschaft, Familie vom Patriarchat durchzogen ist. Nur wenn wir die Regeln des Patriarchats, seine gewaltsame Herrschaft, seine
geschlechtsbezogene Herrschaft, vollständig aus unserer Gesellschaft entfernen, können
wir uns wirklich selbst befreien.

Es wird nicht viel übrig bleiben von dieser Gesellschaft in der wir jetzt Leben, aber auf ihren
Ruinen können wir eine neue Welt aufbauen. Eine andere Welt ist möglich. Eine Welt in der
wir keine Angst haben müssen einem Mann alleine im Wald zu begegnen. Eine Welt in der
wir ohne Gewalt miteinander leben können. Dafür müssen wir gemeinsam gegen das
Patriarchat stehen, gemeinsam mit unseren Geschwistern, die diese Gewalt ablehnen, die
diese Herrschaft ablehnen. Wir müssen vereint sein gegen diese Menschen, die uns als
ihren Besitz ansehen, die ihren Willen erzwingen wollen.

Dafür müssen wir uns das Männerbild zerstören, dass Männlichkeit mit Gewalt gleichsetzt
und dafür müssen Männer sich dazu entscheiden, sich von der Gewalt loszusagen. Indem
sie die vielen Wege reflektieren, mit denen sie Gewalt anwenden, mit Gewalt drohen, Gewalt
suggerieren. Sie müssen wissen, warum sie so häufig Täter werden, sie müssen der Gewalt
abschwören wollen. Und wir alle dürfen ihr Verhalten nicht mehr akzeptieren. Wir müssen
uns der Gewalt entgegenstellen im öffentlichen Raum, im Privaten, in der Familie. Wenn wir
eine Welt wollen, die von der patriarchalen Gewalt frei ist, müssen wir uns in allen unseren
Beziehungen für diese Welt einsetzen.

Wir müssen gemeinsam für diese Welt kämpfen. Gemeinsam mit all denen, die in diesem
System gefangen sind und von patriarchaler Gewalt betroffen sind. Gemeinsam mit denen,
die keine Täter mehr sein wollen. Für eine Welt frei von patriarchaler Gewalt. Für eine Welt
in der wir uns alle gegenseitig vertrauen können.

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