Antipatriarchaler Kampftag in Trier – Bericht und Redebeitrag

Seit über 100 Jahren steht der 8. März international für den Kampf gegen patriarchale Unterdrückung  und ist so ein unumgänglicher Termin für alle Linken, die es mit dem Kampf gegen Herrschaft ernst meinen. Auch in diesem Jahr rief die Feministische Vernetzung Trier zu einem Aktionstag und einer Demonstration auf die Straße. Das Motto lautete „Fantifa“ und sollte einmal mehr verdeutlichen, dass antipatriarchaler und antifaschistischer Kampf zusammengehören und zusammen gedacht werden müssen. In diesem Sinne zog auch die plattform Trier laut, bunt und nicht übersehbar mit etwa 400 Menschen durch die Trierer Innenstadt.

Die großen Anti-Rechts Demos der letzten Monate haben gezeigt, dass Antifaschismus in weiten Teilen der Gesellschaft ein wichtiges Thema ist. Doch kein Antifaschismus ohne Feminismus und kein Feminismus ohne Antifaschismus. In vielen Redebeiträgen konnte der Zusammenhang zwischen Faschismus, Queerfeindlichkeit, Misogynie und regressiven Geschlechterrollen deutlich gemacht werden. Denn ohne feministische Analyse neigen Antifaschist*innen (und vor allem Antifaschisten) dazu, die gewaltvollen Verhältnisse zu reproduzieren und ohne antifaschistische Bemühungen könnten wir eines Tages wieder in einem faschistisch-patriarchalen Albtraum leben.

Bevor die große Demo um 18:00 Uhr anfing, gab es für einige Stunden einen Aktionstag auf dem Platz vor der Porta Nigra. Dort gab es neben Redebeiträgen und Musik auch die Gelegenheit zu Autausch, Kreidemalen oder ein Stück Kuchen zu genießen. Auch diesmal haben wir uns mit einem Kaffee- und Kuchenstand beteiligt, mit dem Unterschied, dass die Spenden an den Frauennotruf gehen.

Der Kampf geht weiter – wir sehen uns im nächsten Jahr

Redebeitrag

Hallo liebe Freund*innen und Genoss*innen

Männer sind stark. Männer weinen nicht, zeigen keine Gefühle. Männer sind die Versorger, die Beschützer. Männer kennen keine Probleme, nur Lösungen.

All das sind Zuschreibungen und Erwartungen, die wir alltäglich hören und selbst reproduzieren. Das ist nichts neues und inzwischen auch im Bewusstsein vieler angekommen, und dennoch prägt all das bis heute das, was wir als „Männlichkeit“ begreifen.

Dieses Männlichkeitsbild führt dazu, dass Männer einen Machtanspruch erheben. Frauen müssten sich unterordnen, klein bei geben und sogar die Kontrolle über den eigenen Körper an Männer abtreten. Sie sind dann nicht mehr handelnde, denkende Personen, sondern Objekte, auf die ein Besitzanspruch erhoben werden kann. Wenn diese Machtstellung bedroht gesehen wird, kommt es zu sexualisierter und häuslicher Gewalt und in letzter, ebenso tödlicher wie alltäglicher Konsequenz, zu Femiziden.

Aber auch jenseits von romantischen Beziehungen sieht sich Männlichkeit stetig bedroht und muss sich immer aufs Neue beweisen. Emotionalität und Verletzlichkeit sind nicht „männlich“, und die Sorge, die eigene Männlichkeit könnte infrage gestellt werden, ist allgegenwärtig – auch, weil „männlich“ als klares Gegenteil zu „weiblich“ und „schwach“ oder „unterlegen konstruiert wird.

Eine „Bedrohung“ oder „Krise“ der Männlichkeit wird angesichts emanzipatorischer Bestrebungen auch von Rechten beschworen. Feminismus wird als „Gefahr“ für Männer und das traditionelle Geschlechter- und Familienbild dargestellt und auf allen gesellschaftlichen Ebenen ist ein reaktionärer Backlash spürbar. Auch das ist Teil des vielfach diskutierten „Rechtsrucks“, der seit Jahrzehnten um sich greift. Errungenschaften im Kampf für Gleichberechtigung und körperliche Selbstbestimmung werden in der medialen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit und durch politische Einflussnahme vehement bekämpft.

Hier zeigt sich die Verbindung patriarchaler Männlichkeit und faschistischer Ideologie. Vorstellungen eines biologistischen, streng binären Geschlechterbilds und die zentrale Rolle der traditionellen Kernfamilie sind grundlegende Elemente des Faschismus und gleichzeitig ideale Anknüpfungspunkte an die männliche Angst vor dem eigenen Machtverlust. Sie versprechen nicht nur eine Sicherung der männlichen Herrschaft, sondern auch eine Aufgabe: der Mann als Soldat, als Verteidiger und Beschützer der Heimat und der Frau – gegen Einwanderung und das Fremde, aber auch gegen den Feminismus. Der allgemeine Rechtsruck zeigt sich hier auch in der zunehmenden Militarisierung des öffentlichen Raumes durch Soldaten, die in Uniform kostenlos Zug fahren dürfen, bei Katastrophen helfen oder auf Plakatwänden und an Bushaltestellen lächelnd für die Bundeswehr werben. Der Rückgriff auf das Bild des soldatischen Mannes findet sich also nicht nur bei Faschisten, sondern bis weit in die aktuelle Regierung hinein. Bei allen Bekenntnissen zu einer angeblich feministischen Außenpolitik, sind die Regierenden also Teil des antifeministischen Schlages gegen die Gesellschaft.

Antifeminismus ist in diesem Zuge auch als kleinster gemeinsamer Nenner reaktionärer Strömungen von Bedeutung. Der angebliche „Schutz der Frau“ oder des „Lebens“ angesichts der feministischen Bedrohung ist nicht nur zentrales Narrativ in der Rhetorik von Faschist*innen und Neuen Rechten, sondern findet auch bei Abtreibungsgegner*innen und religiösen Fundamentalist*innen Anklang. Ein ähnlich verbindendes Feindbild stellen queere und insbesondere trans* Personen dar, deren pure Existenz das Monopol und die Idylle der cis-heterosexuellen Kernfamilie zu gefährden droht und nicht zuletzt auch die Alternativlosigkeit der deterministischen Zuweisungen von „Mann“ und „Frau“ in Frage stellen, auf die sich diese Ideologien allesamt stützen.

Die alltägliche Konsequenz dieser Feindbilder sind Angriffe auf queere und trans* Personen – verbal, medial, in der Gesetzgebung und als körperliche Gewalt. Der tödliche Angriff auf den trans Mann Malte C. war 2022 nur eines von über 300 registrierten queerfeindlichen Gewaltdelikten in Deutschland, die Dunkelziffer mag mensch sich kaum ausmalen.

Das ist die tödliche Realität des patriarchalen Status Quo, ist die direkte Konsequenz eines sich zunehmend verschärfenden transfeindlichen und misogynen Diskurses, in den sich verstärkt auch faschistische Stimmen mischen. Gestützt und befeuert durch reaktionäre Männlichkeitsideale vollzieht sich ein antifeministischer Backlash, der die Selbstbestimmung und das Leben von FLINTA* und queeren Menschen angreift. Diesen Bestrebungen müssen wir uns entschieden entgegenstellen

 

Was also ist unsere Perspektive? Wir können zumindest fürs erste das Konzept von Männlichkeit nicht abschaffen. Geschlecht ist für die meisten ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität. Also müssen wir dem patriarchalen Männlichkeitsbild feministische Männlichkeiten entgegenstellen und beginnen, sie im Hier und Jetzt zu leben. Männlichkeiten, die Emotionalität, Verantwortlichkeit und ein gleichberechtigtes, solidarisches Miteinander in den Fokus stellen. Aber eine einfache Umstellung von Verhalten und Einstellungen kann für die Transformation zu einer feministischen, solidarischen und herrschaftsfreien Gesellschaft nicht reichen, denn die Geschlechterollen kamen nicht aus dem Nichts.

 

Nein, unser patriarchales, kapitalistisches System braucht diese Zuschreibungen und die geschlechtliche Zweiteilung, die ihr zugrunde liegt. Sie wurde konstruiert und als natürlich gelabelt, um eine klare Arbeitsteilung zu festigen. Die Männer gehen zur Lohnarbeit und verdienen Geld, sie sind die Versorger und haben dann Anspruch auf soziale Anerkennung. Die Frauen bleiben währenddessen zuhause und verrichten reproduktive Arbeit, wie Haushalt &  Kindererziehung. Ohne diese Arbeit könnte schließlich weder unsere noch irgendeine Gesellschaft funktionieren. Eine Bezahlung oder soziale Anerkennung bleibt für sie natürlich aus, ist doch gerade ihre Unsichtbarkeit und Unbezahltheit Voraussetzung für geringe Produktionskosten.
In unserer heutigen Gesellschaft sieht dieses Verhältnis etwas anders aus. Jetzt gehen Frauen zur Lohnarbeit UND machen die meiste reproduktive Arbeit. Wir sprechen auch von einer Doppelbelastung der Frau. Diese Doppelbelastung und die mit dieser Arbeitsteilung verbundenen Rollenerwartungen sind fundamentaler Bestandteil des Kapitalismus. Trotz kleinerer Veränderungen und erkämpfter Verbesserungen bleiben geschlechtliche Zuschreibungen und strukturelle Benachteiligungen in vielen Bereichen wirkmächtige Faktoren, die das kapitalistische System stützen. Das Patriarchat ist ein über Jahrhunderte hinweg gewachsenes Herrschaftssystem, das sich nicht allein durch Selbstreflexion und „kritische Männlichkeit“ überwinden lässt.
Unsere Perspektive ist die einer befreiten Gesellschaft jenseits von Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung. Für diese Welt gilt es sich zu organisieren, um ein solidarisches Miteinander bereits heute zu erproben, Gegenmacht aufzubauen und faschistische Bestrebungen ebenso wie den patriarchalen, kapitalistischen Status Quo entschlossen zu bekämpfen! 

Für einen revolutionären Feminismus! Für die soziale Revolution!

 


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